Der BVB ist als Meisterschaftskandidat gestartet. Jetzt ist er Tabellenletzter. Wie kann das sein? Sechs Thesen zur Krise von Borussia Dortmund:
1. Der BVB ist Opfer seines eigenen Erfolgs
Was haben sich alle die Augen gerieben, als der BVB mit seinem Abenteuerfußball 2011 und 2012 Deutscher Meister wurde! Schnell, aggressiv, kompromisslos, mit viel Herz und noch mehr Risiko. Doch wie das so ist mit dieser Evolution: Die Konkurrenz passt sich an. Einige Clubs entwickelten Gegenstrategien, andere adaptierten das BVB-Spiel. Der FC Bayern rüstete nur so auf, weil der BVB ihn gedemütigt hatte. Als er ernst machte, konnte Dortmund nicht mehr mithalten. Die durchschnittliche Bundesligamannschaft stellt sich längst gegen den BVB nun vors eigene Tor, um nicht mehr auf freiem Feld überrannt zu werden. Dortmund musste sich etwas Neues einfallen lassen, aber hat es bis heute nicht richtig geschafft. Jürgen Klopp hat die Bundesliga stärker, innovativer, mutiger gemacht. Auch, indem er seine besten Spieler an die Konkurrenz verlor. Darunter leidet er jetzt.
2. Jürgen Klopp war nie der, für den wir ihn gehalten haben
Klopp ist ein Menschenfänger. Er reißt mit, führt, findet oft die richtigen Worten und ist das, was man so gerne authentisch nennt, auch wenn er mal einen Journalisten anwanzt. Klopp ist einer der besten Rhetoriker im Fußball. Ist er auch einer besten Taktiker, für den viele, auch wir, ihn lange hielten? Wahrscheinlich nicht. Hinter Klopp steht sein Assistent Željko Buvač. Ihn nennen sie in Dortmund "das Gehirn", er ist wohl auch für Strategie, Taktik und Auswechslungen verantwortlich. Eine perfekte Rollenteilung. Dort der eloquente Klopp, der die Arbeit der beiden verkauft, hier der Tüftler Buvač, der die Öffentlichkeit scheut. So ähnlich hielten es bei der WM 2006 Jürgen Klinsmann und Joachim Löw. Eine taktische Bewertung des BVB muss demnach Klopp und Buvač gemeinsam betrachten. Und hier ist das Urteil gesprochen: Das Duo hat die Transformation von der Konter- zur Ballbesitzmannschaft nicht geschafft. Muss er das Spiel machen, fällt dem BVB wenig ein. Das Spiel wirkt noch immer chaotisch, planlos, viel hängt vom Zufall ab. Kein Vergleich mit den perfekt choreografierten Angriffen des FC Bayern. Klopp und Buvač scheinen nur pressen, pressen, pressen zu können. Zu wenig.
3. Echte Liebe kann erdrücken
Die Wörtchen wurden ganz sicher von Marketingexperten ersonnen: echte Liebe, das Leitmotiv des BVB, das die Beziehung zwischen Fans und Verein symbolisieren soll. Klingt herzzerreißend und ist es auch. Doch genau das könnte das Problem sein. Vielleicht sollte der BVB mal einen Paarpsychologen zu Rate ziehen. Klammern ist nie gut, Liebe kann blind machen und im schlimmsten Fall wird aus Liebe Hass. Die Angst davor kann lähmen. Man muss sich nur anschauen, wie die Dortmunder Spieler nach der Partie gegen Augsburg zur Südtribüne schlichen. Wie Hunde, die gleich geprügelt werden. Während der neunzig Minuten spürten sie diese Wand stets im Nacken, ihr Geraune und Gepfeife. Der BVB hat mit 80.541 Zuschauern den höchsten Besucherschnitt der Liga, und im Ruhrgebiet ist das es sowieso noch mal besonderer. Auf Schalke ist das nicht anders. Dort wächst eine Erwartung auf, die in guten Zeiten beflügeln kann, in schlechten aber lähmt. Was schmerzt mehr, als seine Liebsten zu enttäuschen?
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