Es ist das erste Spiel von Borussia Dortmund, nachdem Klopp seinen Rücktritt als Trainer verkündet hat. Der Verein zeigt, was er kann. Die Fans jubeln - und leiden jetzt schon unter Abschiedsschmerzen.
Jürgen Klopp rennt nicht auf und ab, er fuchtelt nicht mit den Armen. Kleiner wirkt er, so, als wäre er weiter weg. Vielleicht auch größer, leuchtender, auf jeden Fall irgendwie anders. Das ist nicht mehr derselbe Jürgen Klopp, der da am Spielfeldrand steht. Er hat gewagt, sein Ende beim BVB zu verkünden. Und trotzdem geht es auch an diesem Spieltag nur um eins: Einen Heimsieg, drei Punkte, zeigen, dass der BVB da ist und präsent - nicht auf dem Weg in die Zweite Liga. Es ist das Spiel gegen den SC Paderborn, das erste Spiel nach Klopps Ankündigung, den BVB als Trainer zu verlassen.
"Guck mal, da steht er doch, und ist ganz fröhlich", sagt ein Mann auf der Südtribüne und deutet auf den Trainer von Borussia Dortmund. Ja, Jürgen Klopp sieht auf die Entfernung nicht so aus, als würde er jeden Moment in Tränen ausbrechen. Doch ist das wirklich das, was die Fans des BVB erwartet haben?
Klar, der Mann, der den BVB sieben Jahre lang trainiert hat, den Club zu Meisterschaft und zum Double geführt hat - er ist ein Held in der Stadt. Dortmund feiert seinen Jürgen Klopp wie einen Heiligen, er ist der Star, jetzt schon eine der vielen Legenden des Vereins.
Aber es lief nun mal nicht mehr beim BVB. Wenn ein Spiel gelang, dann galt das als Sensation, das Derby war ein positives Ausnahme-Highlight in einer ansonsten ziemlich versemmelten Saison. Als der 47-Jährige am Mittwoch seinen Rücktritt von Borussia Dortmund bekanntgab, war das zwar ein Schock. Doch dass das die falsche Entscheidung sei, Klopp da einen riesigen Fehler mache, war nur selten zu hören. Vielmehr grummelte man ein "Oh nein, aber naja, ich verstehe …" oder "Ja, war ja zu befürchten".
Was zählt, ist der Verein. Das sagt auch ein Spruchband der Ultras auf der Südtribüne beim Spiel gegen Paderborn: "Der Verein ist größer als wir alle", steht darauf. Ein Zitat Jürgen Klopps von der Pressekonferenz zu seinem Rücktritt. Der BVB ist das, woran die Fans denken sollen. Das sagt der scheidende Trainer, das sagen die Ultras, aber das ist auch das Gefühl, das zwischen den Zeilen der Fangesänge mitschwingt. "Klar gehört er hierhin", heißt es in der Schlange vorm Stadion-Einlass, "aber es war ja absehbar".
"Bitte bleib!"
Vielleicht ist das auch Verdrängungstaktik. Vielleicht will niemand wahrhaben, dass Klopp ab der nächsten Saison nicht mehr da ist. Fans versuchen ihn umzustimmen, tragen Schilder mit der Aufschrift "Bitte bleib!" Eine große Choreografie ist im Westfalenstadion noch kein Thema. Und erst in der 88. Minute gibt es den schon so oft gesungenen Sprechchor "Jürgen Klopp, Jürgen Klopp, Jürgen Klopp", der so oft gesungen wurde, als es noch gut lief für den BVB.
Da stand es auch schon längst 3:0 für den BVB, die Paderborner waren besiegt, ein wichtiger Heimsieg war in der Tasche. Als die Südtribüne nach Spielende ihre Spieler feiert, sind die "Jürgen Klopp"-Chöre wieder da. Und auch der Trainer selbst ist da, bedankt sich bei den Fans, klatscht, umarmt Henrikh Mkhitaryan, den Torschützen zum 1:0, Aubameyang, der das zweite Tor schoss. Es gibt Gänsehaut auf der Tribüne, der Abschied ist so nah.
Doch Klopp will noch keinen Abschied, die Fangesänge sind ihm sichtlich unangenehm. Der Trainer ist schneller weg, als es bei einer Niederlage der Fall gewesen wäre. Für Klopp ist die Saison noch nicht zu Ende, es bleiben noch fünf Spiele in der Bundesliga, es bleibt das schwierige Halbfinale bei Bayern München. Darauf will er sich konzentrieren, und das wollen auch die Fans. "Ich weiß nicht, es gibt immer ein lachendes und ein weinendes Auge", sagt eine Frau zu ihrer Freundin und sieht eher nach Weinen aus. Neben ihr grölt jemand immer noch "Jürgen Klopp".
"Es kommt darauf an, was oder wer jetzt kommt", sagt ein Fan mit Marco Reus' Rückennummer 11 auf dem Trikot. Er sitzt in der Kneipe "Kumpel Erich". Hier trifft man sich zum Fußballgucken und auch zum Fachsimpeln. "Tuchel will ich ja nicht", entgegnet der Freund. Wer auf Jürgen Klopp folgt, ist noch unklar. Dass Thomas Tuchel vom FSV Mainz 05 in der engeren Auswahl steht, lässt sich aber nicht leugnen.
Klopps Nachfolger hat es nicht leicht
Jürgen Klopp wird den BVB im Sommer verlassen, das steht fest. Aber egal wer kommen wird, er wird es schwer haben. Jeder hier in Dortmund feiert Klopps Ehrlichkeit, seine "Schnauze", seine direkten Worte, komme, was da wolle. "Man kann sich gar nicht vorstellen, wie schwer das ist, wenn etwas so großartig ist wie das hier", sagt Klopp zum Beispiel über seine Zeit beim BVB, "und wenn man dann feststellt, dass man sich nicht mehr sicher ist". Klopp wirkt den Tränen nahe - und die Fans lieben diese authentische Art. Sie feiern seine Gefühle, seine Ausraster am Spielfeldrand, seine Freudensprünge, seine Grimassen. Die Meinungen über seinen Weggang mögen auseinandergehen - dass Klopp so leicht niemand ersetzen kann, darin sind sich die Borussen einig.
Der Mann in der Kneipe, der mit der Nummer 11, er ist angetrunken, er lamentiert, meckert, will Klopp nicht gehen lassen. Einige stimmen ein, um den Sieg gegen Paderborn geht es kaum noch. Die Angst vor der Zeit nach Klopp ist groß, was soll kommen? Wer kann helfen, wer schafft es, den BVB wieder auf den alten Erfolgskurs, dem Überflieger Bayern hinterher, zu bringen? "Ich mag mir das noch gar nicht vorstellen", sagt der Mann im Reus-Trikot kopfschüttelnd.
"Es gibt keinen sonst", sagt der Fan in der Kneipe, ob der Verein nun größer ist als wir alle oder nicht. Dortmund steckt fest. Alle wollen Veränderung und alle wollen weiter. Das hat mit dem Sieg gegen Paderborn erstmal geklappt. Aber noch ist Jürgen Klopp da, der Sieg geschah unter seiner Leitung. Manche fragen sich, ob er nun doch gerne bleiben würde. Bereut er seine Entscheidung? Kommt er zurück?
Wichtig ist der Verein. Wichtig ist, was die Tabelle anzeigt. Wichtig ist, dass der nächste Trainer Mumm hat. Dass er sein Herz auf der Zunge trägt und dass er ein Freund ist, für Spieler und Fans. So einen wünscht man sich hier. Einen wie Jürgen Klopp eben.
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